von Heinrich Esser
Einleitung
Esch hat [1989, Anm. des Webmasters] Geburtstag. Seine tausendjährige Geschichte ist der jüngste Abschnitt des gesamten Siedlungsverlaufs vor Ort. Dieser Bericht will das Erkennbare aus der Zeit vor der Erstnennung beschreiben. Dabei sollen neben der jetzt überbauten Fläche von Esch auch seine nähere Umgebung und die auf den umliegenden Feldern vorhandenen Zeugnisse früherer Kulturen berücksichtigt werden. Jedoch sind die in diesem Rahmen erfaßten Oberflächenfunde nur Hinweise auf die zeitweilige Anwesenheit von Menschen während der Stein- und Eisenzeit und zu römischer Zeit. Nur großflächige Ausgrabungen, die unterhalb der Bearbeitungstiefe moderner Flugscharen ansetzen, könnten genauere Angaben erbringen. Hier ist das Römisch-Germanische Museum gefordert.
Die Aussagen dieses Berichtes beruhen auf den Auswertungen der vorliegenden Funde und sind nach dem derzeitigen Kenntnisstand wahrscheinlich. Eindeutig dagegen ist, daß es keine Kontinuität zwischen den einzelnen Besiedlungsabschnitten gab und sie auch nicht als frühes, vieltausendjähriges Esch interpretiert werden dürfen.
Die geologische Formation in der Kölner Bucht
Auf der untersten Geländestufe - der Niederterrasse - liegt Esch im leicht gewellten Tiefland der Kölner Bucht. Sie hat ihr Aussehen durch die verschiedenen Eiszeiten innerhalb der letzten Million Jahre und durch die nacheiszeitlichen Lehmanschwemmungen (ca. ab 10.000 v. Chr.) erhalten.
In der Eiszeit transportierte der Ur-Rhein zusammen mit dem Schmelzwasser der Alpen gewaltige Sand-, Schotter- und Kiesmassen. Beim Erreichen des Rheinischen Tieflandes verlangsamte der Fluß seinen Lauf, verlor seine Transportkraft und lagerte die Geröllmassen ab. Er mäanderte nun, d.h. er bildete Arme und Schlingen, schwemmte Inseln an und zerstörte sie in geologisch kurzer Zeit wieder. Die Rinne, die Esch in eine östliche (Richtung Pesch) und westliche (Richtung Sinnersdorf) Hälfte teilt, ist ein solcher verlandeter Arm. Über Bocklemünd kommend, führt er von Orr zur Laach und weiter zum Worringer Bruch. Seine Senke brachte in früheren Jahrhunderten - z.B. noch 1784 - die Rheinüberschwemmungen nach Esch.
Vorgeschichtliche Besiedlung
Die ältesten Fundnachweise über den Aufenthalt von Menschen im Escher
Gebiet gehören der ausgehenden Jungsteinzeit an.
Die Jungsteinzeit (Neolithikum) ist ein terminierender Einteilungsbegriff in der Vorgeschichte. Er benennt für Mitteleuropa den Zeitraum von etwa 4000 v. Chr. bis etwa 1800 v. Chr. An ihrem Anfang stand die allmähliche Verbreitung des Ackerbaues. Gegenüber dem zuvor ausgeübten Sammeln wildwachsender Früchte, Wurzeln oder Getreide bot er größeren Lebensgemeinschaften eine bessere, gesicherte Ernährungsgrundlage.
Die Urbarmachung des Bodens zur Neuanlage eines Ackers geschah durch Brandrodung, der einzig bekannten Düngungsart. Darauf pflanzten die Menschen dieser Zeit Emmer, Einkorn oder Spelzgerste an, bis sich die Nährstoffe des Bodens nach einigen Jahren erschöpften und ein anderes Feld urbar gemacht werden müsste.
Die Fundgebiete mit Hinterlassenschaften jener Zeit liegen bei Esch auf den westlichen und östlichen Hügelkuppen entlang des alten Rheinarmes. Hierbei fallen drei Stellen besonders auf, wo massiert fertige Werkzeuge aus Stein bzw. Feuersteinknollen - das Rohmaterial - gefunden wurden. Natürlich ist das jahrhundertelange spätere Pflügen des Bodens und die dabei stattfindende Verlagerung von Fundmaterial als Fehlerquelle der Ortsbestimmung zu sehen. Jedoch sind im übrigen Gelände die Oberflächenfunde seltener.
Über die ehemalige Größe der vermuteten Siedlungs- bzw. Rastplätze, ihre Bewohner oder gar über die Grundrisse der Häuser sind aus den zu Anfang genannten Gründen keine Aussagen möglich. Einzig die vorliegenden Funde lassen eine etwaige Einordnung zu. Nach Auswertung durch Mitarbeiter des Römisch-Germanischen Museums weisen Teile der Geräte und das Rohmaterialspektrum auf das jüngere Neolithikum hin (ab 3200 v. Chr.).
Der bevorzugte Werkstoff in der Jungsteinzeit war der Feuerstein. Er kommt in unserer engeren Umgebung nicht vor und müsste - vermutlich durch Händler - über größere Entfernungen als Knolle oder Platte beschafft werden. Fund- bzw. Abbaustellen sind u.a. bei Aachen, im Maasgebiet und an der Nordsee.
Zur Geräteherstellung sind vom Rohmaterial, dem Kernstein, einzelne Bahnen durch Schlagen oder Drücken abgetrennt worden. Weiteres Bearbeiten, Abstumpfen oder Ausbilden der Kanten, ließen die gewünschte Form entstehen. Die dabei anfallenden unretuschierten Abspannungen machen einen Großteil der vorliegenden Funde aus.
Zum Erzielen der glatten, reibungsvermindernden Oberfläche erhielten die Feuersteinbeile nach vorheriger grober Zurichtung einen Schliff auf gewässertem Sandstein. Die ehemaligen Schäfte, Griffe und Stiele aus Holz oder Röhrenknochen haben die Zeit nicht überdauert. Feuerstein ist nicht bohrbar; durch sein vorausberechenbares Bruchverhalten und die entstehenden scharfen Kanten war er jedoch leichter zu bearbeiten und zu handhaben als die einheimischen Kiese und Gerölle. Manche Geräte besitzen noch heute gebrauchs fähige Schneiden.
Die Oberflächenfunde umfassen folgende Gerätetypen: Pfeilspitzen, Kratzer, Klingen, Fels- und
Feuersteinbeile, ein Keulenbruchstück, retuschierte Abschläge, Mahlsteinbruchstücke und Kernsteine. Das Rohmaterial ist vorwiegend Maasei-Feuerstein, daneben Rullen-Feuerstein, Rijckholt-Feuerstein sowie Vetschauer-Feuerstein.
Für Beile ist Valkenburg-Feuerstein und Amphibolit belegt. Da sich unter dem Rohmaterial verbrannte Maaseier und Maaseierbruchstücke befinden, könnten einige der Funde dem späteren Metallzeitalter angehören. Eine blaue Glasperle und in die Späthallstattzeit (ca. 600 v. Chr.) datierte Keramik sind als Beleg für eine eisenzeitliche Siedlung im Escher Gebiet zu werten.
Die Auflistung stellt den augenblicklichen Fundbestand dar. Sein Zustandekommen ist vom Zufall bestimmt, je nachdem welche Werkzeuge an die Oberfläche gepflügt und aufgefunden wurden.
Bei der Untersuchung fällt die große Menge umgeänderter und wiederverwendeter Arbeitsgeräte auf. Feuerstein war als Werkstoff zu kostbar, um auf ein zerbrochenes, aber nacharbeitsfähiges Gerät zu verzichten.
Römische Besiedlung
Eine weitere Periode mit ortsnahen Siedlungshinweisen fällt in die Römerzeit. Die in und bei Esch liegenden römischen Trümmerstellen gehören vermutlich zu fünf kleineren "Villae rusticae". Dies waren umzäunte Gutshöfe mit Herrenhaus, Stallungen, Scheune und Gesindehaus. Im Aussehen ähnlich einer mexikanischen Hacienda, mit Größe und Einrichtung je nach Finanzkraft des Besitzers. Sie versorgten die Bewohner der Provinzhauptstadt Köln und das Militär in den Lagern der Rheingrenze mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Im Kölner Raum wurden Betriebsgrößen um 100 Hektar ermittelt. Das Land trug u.a. Hülsenfrüchte, Gemüse, Salat und Obst-, auch mehrere Getreidearten. Hafer wurde nicht angebaut, er galt bis Ende des 3. Jh. als schädliches Unkraut. In der Friedenszeit, die das röm. Köln (Colonia Claudia Ara Agrippinensium, abgekürzzt CCAA) seit seiner Gründung im Jahre 50 n. Chr. bis zur Mitte des 3. Jh. erlebte, verdichtete sich das Netz der Höfe um die Stadt immer mehr. Der Staat förderte durch Landvergabe an seine nach 22 Dienstjahren ausscheidenden Soldaten das Bauernwesen.
Die Höfe um Esch lagen auf den hochwasserfreien Ufern entlang des alten Rheinarmes, ähnlich der Lage der jungsteinzeitlichen Rastplätze. In einem Fall sind sie überdeckend. Die Standorte zueinander hatten keinen Dorfcharakter, es waren Einzelgehöfte. Noch heute sind dort die Äcker mit Dach- und Mauerziegeln sowie mit Keramikbruchstücken durchsetzt und rot gefärbt. Wahrscheinlich waren diese Stellen angesprochen, wenn in der Richen-Chronik "Esch der Mittelpunkt verschiedener Burgen" genannt wird.
Nach Auswertung der Keramikscherben durch das Römisch-Germanische Museum Köln entstanden die bäuerlichen Anlagen im späten 1. / frühen 2. Jahrhundert n. Chr. Für das 4. Jahrhundert sind nur wenige Zeugnisse bekannt. Hier ist ungeklärt, ob alle Betriebe bis Ende des 4. Jahrhunderts existierten.
Die auf den verschiedenen Trümmerstellen vorgefundene Keramik) ist recht gleichartig. Selten wurden Fragmente von terra sigillata, einer glänzend roten, hartgebrannten Ware, aus der hochwertiges Tafelgeschirr hergestellt wurde, gefunden. Häufiger treten dünnwandige Firnisbecher und -teller auf, die im späten 1. und während des 2. Jahrhunderts in Manufakturen am heutigen Rudolfplatz in Köln hergestellt wurden. Die Masse der Funde besteht aus glattwandiger und rauhwandiger Gebrauchskeramik: Reibschüsseln, Vorratsgefässen (Dolien), Amphoren, Kochtöpfen, Deckeln, Schüsseln, Näpfen sowie Ein- und Zweihenkelkrügen.
Unter den Lesefunden möchte ich zwei besonders hervorheben. Einen etwa 3 cm großen
Vogeltorso aus
Weißton. Der Figurrumpf - wahrscheinlich eine Taube darstellend - ist auf der Unterseite mit einer Längsnut und einem Zapfenloch in Richtung des fehlenden Kopfes versehen. Die Figur könnte der Aufsatz für ein Kinderspielzeug gewesen sein.
Von einer östlichen Trümmerstelle stammen Ziegelbruchstücke mit MLB-Herstellerstempelabdrücken. MLB war das Zeichen einer Ziegelei, die um die Mitte des 1. Jahrhunderts in Feldkassel arbeitete. Unterhalb der Abdrücke sind Mengen-Zählstriche zu sehen. Beim Erreichen gewisser Produktionszahlen ist der noch ungebrannte Ziegel mit den Fingern derart gekennzeichnet worden.
Die blühende Epoche der römischen Herrschaft in Niedergermanien ging ab dem 4. Jh. mit der stetigen Landnahme und Überfällen durch die Franken zu Ende; um die Mitte des 5. Jh. eroberten sie Köln.
Aber bereits vorher, Ende des 4. Jahrhunderts, wurden die letzten römischen Gutshöfe im Kölner Umland aufgegeben. Für das Gebiet um Esch liegt die Zeit nach der römischen Besiedlung im Dunkeln.
Erst über 500 Jahre nach deren Ausklang wird der Ort als "Ascha" erstmalig erwähnt.
Quellennachweis
Es ist in hohem Maße das Verdienst von Gertrud Müngersdorff und Gertrud und Arno Topp, daß heute die Siedlungsgeschichte von Esch in Umrissen ablesbar wird. Den Mitarbeitern des Römisch-Germanischen Museums und des Instituts für Vor- und Frühgeschichte der Universität Köln, Elisabeth M. Spiegel und Judith M. Grünberg, die die Gesamtauswertung vornahmen, sage ich Dank. Frau Spiegel hat darüber hinaus den Beitrag mehrfach mit anregender Kritik versehen.
Die im Text erwähnten Funde befinden sich im Besitz des Rheinischen Landesmuseums Bonn, des Römisch-Germanischen Museums Köln und in den Privatsammlungen von Gertrud Müngersdorff, Gertrud und Arno Topp und Heinrich Esser.
Literatur
Peter la Baume, Die Römer am Rhein, Bonn
Das römische Köln, (Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern Köln 1, 1) Mainz 1980
A. Topp, Bonner Jahrbücher 172, 1972, 537
A. Topp und U. Heimberg, Bonner Jahrbücher, 174, 1974, 637 A. Topp, Bonner Jahrbücher, 174, 1975, 353
Tilman Bechert, Römisches Germanien zwischen Rhein und Maas, München 1982
Otto Doppelfeld, Ausgewählte Quellen zur Kölner Stadtgeschichte 1, Hrsg. von Robert Frohn und Arnold Güttsches, Köln 1958
Erich Gose, Gefästypen der römischen Keramik im Rheinland, Köln 1976 Walter Meier-Arend, Die Steinzeit in Köln, Hrsg. Stadt Köln, Köln 1975
Heinz Otto Oberkinkhaus, Sinnersdorf - von der Urgeschichte zu den Franken (Sinnersdorf, die Geschichte unseres Ortes, Band 11), Hrsg. Interessengemeinschaft Sinnersdorfer Ortsvereine und Sinnersdorfer Heimatkunde Harald von Petrikovits, Rheinische Geschichte, Band 1: Altertum, Düsseldorf 1978
Heinrich Pleticha, Otto Schönberger, Die Römer, Gütersloh 1977
Elisabeth M. Spiegel, Die Besiedlung im Stadtkreis Köln (Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern Köln 1, 1), Mainz 1980
Verein für Geschichte und Heimatkunde e.V., Pulheim, Begleitblatt zur Ausstellung: Stadt Pulheim - Stationen der Geschichte ihrer Orte, 1983